Trauer

Wenn wir Trauer lesen, verbinden wir das zuerst mit dem Tod eines geliebten Menschen. Wir trauern aber bei jedem Abschied – mal ist es schwerer und mal ist es leichter.

Man spricht von 4 Phasen der Trauer:

Zunächst befinden wir uns in einem Schockzustand – auch dann, wenn der Weggang abzusehen war. Wir brauchen Zeit um zu realisieren, dass es jetzt wirklich so ist. Es scheint zunächst unfassbar und wir haben das Gefühl, die Welt steht still. Es ist gut, wenn uns jetzt jemand beisteht und wir durch die gemeinsame Erledigung der alltäglichen Pflichten langsam wieder ins Hier und Jetzt kommen.

 

In der 2. Phase bahnen sich dann die Emotionen ihren Weg. Die Schockstarre weicht und man wird förmlich überflutet von Gefühlen wie Trauer, Schmerz, Angst, aber auch Wut. Wir versuchen, das Unbegreifliche zu erklären. Wir suchen einen Schuldigen, gegen den wir unsere Wut richten können. In dieser Zeit ist es gut, jemanden an der Seite zu haben, der das einfach aushält. Ablenkungsversuche und Sätze wie „die Zeit heilt alle Wunden“ oder „so ist das Leben“ sind eher kontraproduktiv. Gefühle zu unterdrücken, weil wir nett sein wollen zu den Menschen, die uns beistehen ist nicht hilfreich – auch wenn wir uns scheinbar im Kreis drehen. Gemeinsam ratlos dazusitzen und sich im Gefühls-Chaos verbunden fühlen bringt mehr, als 1000 Floskeln und Kalenderweisheiten.

 

Wenn sich dann die überbordenden Gefühle beruhigen, fangen wir an zu akzeptieren. Dann sind wir in der 3. Phase. In vielen kleinen Situationen, die uns erinnern, machen wir uns bewusst, dass es vorbei ist. Nie mehr gemeinsam im Wald spazieren gehen, nie wieder gemeinsam den Christbaum schmücken, keine Geburtstagüberraschung mehr, auch kein morgendliches Tee aufgießen oder Frühstückstisch decken. Wir fangen an zu realisieren, was sich im Leben ändert. Jetzt fängt es an gut zu tun, wenn wir auch mal Ablenkung suchen und jetzt ist die Zeit für Gespräche. In dieser Phase lassen wir los.

 

Und schließlich, in der 4. Phase, wagen wir wieder einen Blick in die Zukunft und fangen an, wieder Pläne zu schmieden. Wir fangen an, die Welt und uns selbst neu zu entdecken und manchmal wenden wir uns von den Personen ab, die uns bis hierher begleitet haben. Das liegt nicht daran, dass sie was falsch gemacht haben, es ist vielmehr dem Bedürfnis nach Abschluss geschuldet. Wir suchen neue Freunde für ein neues Leben.

 

Wie lange darf die Trauer dauern?

Die Trauer verläuft nicht immer nach Plan oft springen wir zwischen den Phasen noch einmal hin und her und es ist überhaupt nicht vorherzusehen, wieviel Zeit wir brauchen. Lassen Sie sich bitte nichts anderes einreden. Die Zeit, die wir brauchen ist individuell unterschiedlich und alles ist in Ordnung. Eine kurze Trauerzeit bedeutet nicht einen Mangel an Liebe und eine lange Trauerzeit besagt auch nicht, dass die Liebe ganz besonders groß ist. Die Dauer ist eigentlich nur im Zusammenhang mit den Bewältigungsstrategien, die wir haben, zu sehen. Die Voraussetzungen, einen Verlust zu verkraften sind individuell sehr unterschiedlich.

 

Gibt es überhaupt Regeln für die Trauer?

Inzwischen weiß man, dass Rituale wirklich eine große Hilfe sind im Trauerprozess. So hält uns das Erledigen der Formalitäten und die Planung der Beisetzung in der Realität, es hält buchstäblich die Welt zusammen, wo sie auseinander zu brechen droht. Und die Beisetzung selbst macht den Abschied nochmal bewusst. Auch wenn es schmerzt, es macht das Unfassbare dann eben doch greifbarer.  Aber Regeln kann man nicht aufstellen. So, wie es für die einen wichtig ist, noch eine Zeit lang alles so zu lassen, wie es war, so ist es für die anderen hilfreich, möglichst schnell den Räumen einen eigenen, neuen Charakter zu geben. Auch hier gilt: Alles darf sein und ist in Ordnung. Ich denke aber, es ist für alle gleichermaßen hilfreich, eine Ecke mit einem Bild, ein paar Blümchen und einer Kerze zu haben und dort der Trauer einen Platz zu geben.

 

Komplizierte Trauer

Lt. Traumaforscher George A. Bonnano (University of Columbia) haben rund 10 % der Trauernden langfristig Schwierigkeiten, mit dem Tod eines geliebten Menschen fertig zu werden. Sie quälen sich oft jahrelang und die Sehnsucht will scheinbar nicht aufhören. Einen Zeitraum, ab dem ich die Trauer kompliziert nennen würde, gibt es nicht. Meistens hat der/die Trauernde ein gutes Gespür dafür, wann es besser ist, sich professionelle Unterstützung zu gönnen.

 

Dazu kommen weitere zwanzig Prozent, die ebenfalls stark leiden – mit dem Unterschied, dass sie nach einigen Monaten wieder so wirken, als hätten sie die Trauer gut überstanden. Sie funktionieren wieder irgendwie und innerlich schmerzt die Verletzung immer noch.

 

Ursachen komplizierter Trauer

Menschen, die den Verlust einer geliebten Person nicht annehmen können, haben oft in ihrer Beziehung zum Verstorbenen zu wenig Eigenständigkeit entwickelt. Oft war die Beziehung durch Abhängigkeit geprägt. Aber auch Menschen, die kein soziales Netz besitzen sind gefährdet. Ebenso psychisch Kranke oder Menschen, die als Kind keine sichere Bindung erfahren durften. Zudem kann ein sehr plötzlicher Tod bewirken, dass die Angehörigen in der Trauer versinken.

 

Sie alle können Hilfe brauchen.

 

Ich gehe davon aus, dass die Menschen selbst ein gutes Gespür dafür haben und möchte dazu ermutigen, sich professionelle Unterstützung zu holen, wenn man das Gefühl hat, dass man sie braucht. Die seelische Widerstandskraft, mit der wir Krisen überstehen kann man auch im Erwachsenenalter noch gezielt fördern.

 

Auch Trauer

Wie anfangs schon erwähnt, trauern wir bei jedem Abschied und im Prinzip ist es irgendwie immer der oben beschriebene Prozess. Auch bei

  • Tod eines Haustiers
  • Trennung oder Scheidung
  • Wegzug in eine andere Stadt
  • Wegzug der eigenen Kinder
  • Wegzug von Freunden
  • Abschied von einem Kinderwunsch, weil man aus irgendwelchen Gründen keine Kinder haben kann
  • Abschied von einem Lebensplan, weil es manchmal eben nicht so kommt, wie man sich das gewünscht hätte
  • Abschied von einem Haus oder einer Wohnung

Auch wenn man einen Lebensabschnitt beendet und sich mit Freude in ein neues Leben aufmacht, ist es ratsam, das bisherige zu würdigen und anzuerkennen.

 

Nachbemerkung

Nicht nur, aber ganz besonders in Zeiten der Trauer ist es ratsam, achtsam mit sich selbst umzugehen, in sich hinein zu spüren und wahrzunehmen, was man braucht und dann auch gut für seine Bedürfnisse zu sorgen. Egal was andere davon halten mögen.

 

Meine Schwiegermutter wollte nach dem Tod Ihres Mannes eine Pizza essen – die gab es in den 50 Jahren Ehe nie. Alles, was gut tut ist erlaubt – auch Pizza.